Wenn es köstlich gewesen ist

Wenn es köstlich gewesen ist

Mit dem Haus hat man auch einen Garten geerbt, und weil das Säen und Ernten, die Beeren und Birnen einen Platz im eigenen Lebensentwurf fanden, kamen nach und nach noch drei Parzellen dazu, damit aber auch Stunden, in denen man geneigt war, sich mit Worten aus dem 90. Psalm zu trösten, wo es vom Leben heißt: „Wenn es köstlich gewesen ist, ist es Mühe und Arbeit gewesen.“

So auch kürzlich im April beim Umgraben einer Fläche für Sommerblumen. Es kam die Stelle, wo Muskeln und Gelenke eine Pause forderten. Also, den Spaten in den Erdboden gestoßen und den gebeugten Rücken gestreckt. Der Blick fiel auf den jungen voll erblühten Zwetschenbaum. Die Sonne schien, es war recht warm, die weiße Krone leuchtete. Bald steht man dicht am Baum, im Kopf die Vorstellung vom reich gedeckten Tisch für die Insekten. Aber nichts rührt sich, nichts summt. Enttäuschung. Doch da hebt sich eine Biene aus einer Blüte und steuert den Nachbarzweig an – ein kleiner Trost, der Aufmerksamkeit und ein Gedankenspiel auslöst: Wie lange widmet sie sich dem Nektarsammeln? Du zählst die Sekunden, verfolgst ihren Weg, rechnest, dass sie fast zwanzig Kelche in einer Minute befliegen wird.

Du ziehst den Schluss, wenn sie nur fünf Minuten an diesem Baum bliebe, müssten die damit erzeugten Früchte im September für einen Zwetschenkuchen reichen.

Da verbinden sich der sonnige Tag, die milde, duftende Luft, die Blütenpracht, die Vorstellung des saftigen Kuchens zu einer einzigen köstlichen Einbildung. Und drüben steckt der Spaten in der Erde.