Lesung mit Lachnummer

Der Handwerkerhof hatte eine „Nacht im Museum“ angekündigt; ich sollte dazu im Laufe des Abends eine Leseeinlage mit alten Handwerkergeschichten aus meinen Anekdotenbüchern anbieten. Es war schon fast dunkel, als ich am Ort des Geschehens eintraf; der Handwerkerhof war mit Fackeln, brennenden Kerzen und einem Schmiedefeuer in ein geisterhaft-romantisches Licht getaucht, über offener Glut dampfte ein großer Topf mit Erbsensuppe, auch Kuchen und Getränke waren vorhanden. Da meine Lesung erst später stattfinden sollte, hatte ich Gelegenheit, zu schauen, zu plaudern, etwas zu essen und zu trinken.

Ich vermisste Johannes, der mir noch vor wenigen Tagen versichert hatte, er freue sich auf den Abend. Dann tauchte er doch noch auf, begrüßte mich und entschuldigte seine Verspätung mit dem Bekenntnis, es habe ihm etwas sehr Unangenehmes den rechtzeitigen Aufbruch vermasselt. Eine plötzlich eingetretene Verdauungsstörung habe ihn zur Umkehr gezwungen, bei dem Versuch die Haustür aufzuschließen habe seine Hand so gezittert, dass die Umlenkung seiner Konzentration von hinten nach vorne zur Katastrophe geführt habe, mit zeitraubenden Folgen. Nun sei er endlich da, wolle sich aber beim Genuss des reichen Angebots auf Hören und Sehen beschränken und vorsichtshalber auf Erbsensuppe verzichten. Etwas später saß er dann gleich vorne unter den Gästen meiner Lesung.

Ich begann mit Geschichten und Schnurren von hiesigen Handwerkern, die als Originale immer wieder Anlass zum Schmunzeln oder Kopfschütteln geboten hatten. Alles lief gut, das Publikum freute sich über die Pointen. Dann standen die Geschichten von Poot, einem Klempner und Installateur, auf dem Programm. Darunter war eine, die viel mit dem eben gehörten Bericht von Johannes gemeinsam hatte – eine außergewöhnliche Fügung. Ich konnte nicht anders, als einen Blick nach ihm zu werfen, was einen heftigen Lachreiz in mir auslöste. Ich rief mich zur Ordnung, kämpfte mich durch zwei Pootgeschichten, wobei ich es vermied, Richtung Johannes zu blicken. Den Kampf gegen den Lachreiz hätte ich mit einem Verzicht auf die letzte Anekdote beenden können, aber vielleicht wollte ich Johannes das Walten des Schicksals, das sein Missgeschick mit meinem Leseprogramm zusammengeführt hatte, demonstrieren und setzte mit der Geschichte an. Poot berichtet, wie er auf dem Heimweg von einer Kneipensitzung plötzlich von einem heftigen menschlichen Bedürfnis überfallen wird und fährt fort: „Ich petze die Bagge zusamme…“ Ich konnte das Lachen nicht mehr unterdrücken, mein Publikum schaute amüsiert, aber ein wenig ratlos, ich kämpfte und fuhr, kaum noch verständlich, fort: „…drigge es Kreuz durch un geh mit kleine Schrittcher bis vors Haus…“ Pause, Luft holen, Blick fest ins Buch – wenn ich nach Johannes geblickt hätte, wäre ich explodiert – doch tapfer weiterlesen: „…Wie ich mich aber bücke, um de Schlüssel ins Schloss zu stecken, ist nix mehr zu halte…“ Die Pointe, „Ich hab mir geschwor, das Schloss an der Tür wird jetzt höher gesetzt“, ging fast im allgemeinen Gelächter unter, das wohl mehr durch das Schauspiel, das ich bot, als durch das Gehörte ausgelöst worden war.

Auch Johannes brachte es zu einem leicht verkniffenen Lächeln.